Die gestresste Stadt
Grüne Architektur ist in – aber macht Städte nicht automatisch lebenswerter. Die wirklich sinnvollen Projekte sind unauffällig.
Text: Harald Willenbrock
Grün, so scheint es, ist im Städtebau das neue Grau.
„Meisterhaft“ nennt Antje Stokman diese Leuchtturmprojekte. „Allerdings vor allem in puncto Marketing.“ Wirklich nachhaltige Architektur müsse tief in die Adern und Nervenbahnen von Gebäuden und Städten vordringen und sie grundlegend verändern, sagt die Professorin für Architektur und Landschaft an der Hamburger Hafencity Universität: „Das derzeit moderne ‚bisschen Holz und Grün an den Fassaden‘ reicht bei Weitem nicht.“
Viele der vermeintlichen Vorzeigebauten müssen mit hohem Aufwand am Leben erhalten werden. Die 20 000 Sträucher und 800 Bäume für Stefano Boeris Wolkenkratzer-Wald etwa mussten eigens gezüchtet und windkanalgetestet werden, um der Hochhauswitterung standzuhalten. Ein Jahr brauchten Arbeiter, um die Pflanzen mit Kränen an ihren Platz zu hieven. Seitdem werden sie von drei Gärtnern gepflegt, die sich auf Balkone und Loggien abseilen müssen. Extrakosten pro Mieter und Monat: 1500 Euro. Der Bosco Verticale, instagram-kompatibel und preisgekrönt, ist in Wirklichkeit ein Edelforst für Besserverdiener.
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